Innovationen passieren nicht im abgeschlossenen Raum

Zuerst die Richtung bestimmen und dann zügig ins Geschehen einsteigen: Innovationen passieren nicht im abgeschlossenen Raum – sie müssen nah am Markt entwickelt werden. Im Interview mit Dr. Stefanie Kesting, Director Innovation, Uniper SE, erfahren wir, wie Uniper diese Nähe zum Markt realisiert. 

Startup_DUS: Innovationen machen auch vor der Energiebranche nicht Halt. Welche großen Umbrüche können wir erwarten und wie gehen Sie damit um?  

Dr. Stefanie Kesting: Die großen Trends Dekarbonisierung, Dezentralisierung und Digitalisierung werden die Energiewelt auch weiterhin entscheidend prägen. Wir bei Uniper arbeiten daran, diese Entwicklungen mitzugestalten und für uns – wo möglich – kommerziell nutzbar zu machen. Innovationen gehören dabei schon heute zu unserem Portfolio: Mit unserer Power-to-Gas-Anlage in Falkenhagen zeigen wir beispielsweise, wie Strom- und Gas-Sektoren intelligent gekoppelt werden können. Mit M5BAT, einem bisher einzigartigen Großbatteriespeicher, der fünf verschiedene Technologien vereint und seit letztem Jahr erfolgreich ans Stromnetz angeschlossen ist, haben wir es kürzlich sogar unter die Finalisten des deutschen Innovationspreises geschafft. Ein weiteres Beispiel ist unser bereits am Markt agierendes Startup Liqvis, das den Ausbau eines LNG-Tankstellennetzes für den Schwerlastverkehr in Europa vorantreibt. Innovationen passieren also nicht im abgeschlossenen Raum – sie müssen nah am Markt entwickelt werden, und dann auch möglichst zügig unter realen Bedingungen getestet werden.

Startup_DUS: Sie haben das Thema Digitalisierung bereits angesprochen: Wie setzen Sie den Trend bei Ihnen und Ihren Kunden konkret um? 

Dr. Stefanie Kesting: Wir arbeiten zum Beispiel aktiv an der Digitalisierung der Kundenschnittstellen, um die Interaktion mit unseren Geschäftskunden noch einfacher zu gestalten. Darüber hinaus nutzen wir die Digitalisierung gezielt zur Verschlankung und Automatisierung interner Prozesse, etwa in unserer Kraftwerksflotte, beim Thema Sicherheit oder bei der Wartung und Instandhaltung von Anlagen. Für Kunden kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) haben wir eine digitale Vertriebsplattform entwickelt: Über das Webportal uniper-direkt.de erfolgt bei Strom- und Gasprodukten eine voll automatisierte Angebotserstellung und ein automatisierter Vertragsabschluss inklusive Bonitätsprüfung für Industrie- und große Gewerbekunden. Mit einer zusätzlichen Anbindung an die After-Sales-Systeme entsteht ein voll digitalisierter Vertriebsprozess. Die Kunden können so ihr Vertragsmanagement über eine webbasierte Plattform eigenständig durchführen. Eine weitere digitale Plattform ist Enerlytics. Über diese Plattformen ermöglichen wir unseren Kunden den Zugang zu hochwertigen, datengetriebenen Lösungen – mit dem Ziel, Entscheidungsprozesse zu optimieren und damit auch die Entscheidungen selbst zu verbessern. Ein weiteres interessantes Pilotprojekt ist der virtuelle 3D-Health-and-Safety-Walk: Am Kraftwerksstandort Heyden nutzen wir diese Virtual-Reality-Technologie bereits, um die im Kraftwerk essentiellen Sicherheitsunterweisungen zu digitalisieren. Auch vergleichbare Aufgaben wie Prozesse im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz können mit dieser Technologie effizienter gemacht werden.

Startup_DUS: Uniper baut auf langjährigen Erfahrungen in der Energiewirtschaft auf, betreibt in Deutschland, Europa und Russland Kraftwerke und ist weltweit im Energiegroßhandel tätig. Wie schützen Sie sich vor „Betriebsblindheit“ in der Einschätzung von Zukunftstrends? 

Dr. Stefanie Kesting: Uniper hat sich am Markt seit der Neugründung vor zwei Jahren sehr gut behauptet. Nach dem Börsengang hat die Entwicklung der Aktie am Kapitalmarkt die Erwartungen vieler weit übertroffen. Auch intern haben wir in Bezug auf schlanke Prozesse und Strukturen bereits viel erreicht. Mit der Schärfung unserer Strategie haben wir kürzlich die Weichen in Richtung Zukunft gestellt. In Bezug auf Innovationsthemen lege ich immer wieder großen Wert darauf, dass wir dabei nicht nur „im eigenen Saft schmoren“. Stattdessen setzen wir gezielt auf externen Input. Uns sind Partnerschaften mit Unternehmen, die ganz andere Perspektiven einnehmen, daher sehr wichtig. Nur so können wir uns auf lange Sicht vor „Betriebsblindheit“ schützen.

Startup_DUS: Welche Bedeutung haben denn dann Startups für ein etabliertes Unternehmen wie Uniper?

Dr. Stefanie Kesting: Es mag banal klingen, aber um angemessen auf Zukunftstrends zu reagieren, bedarf es zunächst immer einer uneingeschränkten Offenheit gegenüber Veränderungen und einer produktiven Fehlerkultur. Um zügig die richtigen Schlüsse fürs Unternehmen zu ziehen und auch in Aktion zu treten, braucht man zudem schlanke Prozesse und unkomplizierte Entscheidungswege. Hier können wir von Startups immer wieder lernen. Umgekehrt können wir jungen Unternehmen handfeste Unterstützung bieten, wenn es um Fragen der Organisation, Finanzierung oder auch die effektive Skalierung einer Geschäftsidee geht. Gerade in Bereichen außerhalb der klassischen Energiewirtschaft glauben wir, dass Kooperationen zwischen Startups und unserem Unternehmen zu Win-Win-Situationen führen können. Ganz aktuell führen wir im Rahmen der Startup Woche einen Workshop mit dem Thema „Neue Geschäftsmodelle für die Energiewirtschaft“ am 17.4. bei uns im Medienhafen durch. Gründer und innovative, unternehmerisch denkende Menschen, die an Ideen zu disruptiven Geschäftskonzepten mitarbeiten möchten, sind hierzu gerne eingeladen.

Startup_DUS: Was macht Düsseldorf für Ihr Unternehmen zur absoluten Startup-City?

Dr. Stefanie Kesting: Düsseldorf bietet einfach ein sehr gutes, internationales und dabei weltoffenes Umfeld. Das Rhein-Ruhrgebiet ist gleichermaßen Heimat zahlreicher industrieller Branchen und Traditionsbetriebe, neben vielen hochwertigen Universitäten und Forschungseinrichtungen. Aber auch junge Unternehmen finden hier Investoren, Partner und Kunden. Durch seine Bildungs- und Branchenvielfalt lockt Düsseldorf kreative Mitarbeiter und Talente an und ermöglicht die Vernetzung, von Unternehmen aus ganz unterschiedlichen Bereichen woraus wieder ganz Neues entstehen kann. Besonders gut finde ich, dass die Stadt Düsseldorf und auch die lokale Wirtschaft durch entsprechende Angebote – beispielsweise durch den Startplatz – anfangen, Unternehmensgründer gezielt zu unterstützen. Auch wenn noch viel mehr getan werden sollte, gibt es erste, sehr gute Ansätze, um Innovationen zu fördern.

Startup_DUS: Und erlauben Sie uns eine Bonusfrage zu guter Letzt, weil wir auf diesen für uns recht interessanten Fakt bei unseren Recherchen gestoßen sind. Uniper hat einen Platz im „Guinness Buch der Rekorde“ eingenommen. Wie ist es bitte dazu gekommen?

Dr. Stefanie Kesting: Das ist schon eine ganze Weile her. Aber in der Tat haben wir im bayerischen Irsching vor einigen Jahren ein Kraftwerk mit einer völlig neuen Generation von Gasturbinen gebaut. Dabei handelte es sich damals um die größte, aber vor allem effizienteste Gasturbine weltweit – damit haben wir es ins „Guinness Buch der Rekorde“ geschafft. Auch das ist Innovation.

Startup_DUS: Vielen Dank für das Gespräch!

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