Networking: „Wir stoßen ins Zentrum der Gravitation“

Christoph Pietsch verantwortet als Chief Marketing Officer der Agenturgruppe DDB Group Germany die Unternehmensbereiche Group Marketing, Business Development und die Unternehmenskommunikation in Deutschland. Im Interview verrät er uns, worauf es seiner Meinung nach beim Networking ankommt. 

Startup_DUS: Die generelle Frage nach der Notwendigkeit erübrigt sich im Geschäftsleben, denn es ist klar: ohne Networking und Kontakte wird es (irgendwann) schwierig zu bestehen. Würden Sie sich selbst als Vernetzungsspezialist bezeichnen? 

Christoph Pietsch: Spezialisten sind Ärzte oder Anwälte. Im Ernst: Ich würde mich als jemand beschreiben, der um den hohen Wert von Netzwerken, Communities und das Verbinden von Menschen weiß. Ob im beruflichen oder privaten Kontext. Kontakte gehören, ähnlich wie die Kreativität, zu den wichtigen Kapitalgrößen der Zukunft. Sehen Sie doch einmal in ein beliebiges Wirtschaftsmedium. Unternehmen, Personen und Marken sind nicht mehr in der Position, die Herausforderungen unserer Zeit selbstbewusst und alleine zu meistern. Es entstehen Allianzen, Joint Businesses und Kooperationen. Das erfordert von allen Beteiligten Offenheit, Flexibilität und Bewegung. Es entsteht eine Dynamik, die im Kopf beginnt. Wir schaffen tradierte Denkmuster ab. Das ist harte Arbeit und vor allem zwingend erforderlich. Auch ein Grund, warum wir im Kontext der Startup-Woche das „Creative Entrepreneur Dinner“ organisieren. 100 schlaue Köpfe werden an rotierenden Tischen zu einem Abendessen zusammenkommen. Aus dem Austausch werden Impulse und aus Dialogen werden Projekte. Die Erfahrung durften wir bereits im Oktober im Rahmen der Veranstaltungswoche „Creative Hive“ machen.

Startup_DUS: Da gilt es Engagement zu zeigen, mehr zu tun als verlangt wird und jede Gelegenheit zu nutzen. Ganz gemäß der amerikanischen Weisheit: „Go the extra mile. It’s never crowded.“

Christoph Pietsch: Engagement zeigen und Passion demonstrieren ja, jede Gelegenheit nutzen wollen, nein. Man muss seine Bühnen und Plattformen sorgfältig auswählen. Ich kenne Kollegen, die rennen ohne Sinn und Verstand auf jedes greifbare Event – wenn sich zwei Menschen an der Ampel begegnen haben sie gleich Angst, ein Meetup für Verkehrszukunft verpasst zu haben. Man muss sich fragen, was wichtig ist: meine Idee und mein Business oder Gratisbier und Pulled Pork Burger.

Startup_DUS: Das klingt fast so, als wäre das ein eigener Beruf, den man 12 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche ausüben muss. Wie schaffen Sie es, die für Ihre Ziele passenden Kontakte zu selektieren und diese dann entsprechend zu pflegen? 

Christoph Pietsch: Kennen Sie Claude Grunitzky? Der gebürtige Togolese ist Mitte 40, war Chefredakteur, Medienunternehmer und hat auch einmal in der Auftrags-Kommunikation gearbeitet. Berühmt gemacht aber hat ihn etwas anderes: sein Adressbuch. Der Mann ist ein Genie und hat das Netzwerken, für meinen Geschmack, schon fast übertrieben. Die Harvard Business School hat sein Talent, Menschen zu erobern und seinen Ansatz, Kontakte in konzentrischen Kreisen anzuordnen, um sie anschließend zu bespielen, in einer eigenen Case-Study beleuchtet und zusammengefasst. Der Mann sagt: „Netzwerken – Was für ein schlimmes Wort. Wir stoßen ins Zentrum der Gravitation.“ Er hat verstanden, dass Beziehungsmanagement keine Einbahnstraße ist und es klare Spielregeln gibt.

Startup_DUS: Wer seine Ziele genau kennt und vor Augen hat, dem wird es leichter fallen mit Menschen in Kontakt zu treten. Welche weiteren Skills würden Sie Ihrer Erfahrung nach einem guten Networker zuschreiben?

Christoph Pietsch: Auch wenn der Begriff des Lobbyismus so negativ belegt ist, trifft es die Arbeit eines Marken- und Unternehmensvertreters recht genau. Dazu noch mal Grunitzky. Er sagt: „Ich habe einen inneren Sensor für Talente: Künstler, Politiker, scheißegal.“ Da ist etwas Wahres dran. Man muss sich gerne mit Menschen umgeben, muss die Gabe besitzen zuzuhören, die Interessen und Bedürfnisse des Gegenübers lesen können, um als Transferleistung eine Idee, eine Lösung, einen initialen Gedanken oder Kontakt zu einem Dritten ableiten zu können. Es gibt hier keine Prototypen oder einen entsprechenden Kurs in der Uni. Das lebst du, oder eben nicht.

Startup_DUS: Ist das für Sie etwas, das man durch Coachings erlernen kann oder sollte jedes Startup einen von dir beschriebenen Charakter einbinden, um sein Geschäftsmodell voranzutreiben?

Christoph Pietsch: Zu aller erst: Die Schlüssel sind ein authentischer Auftritt und echte Hingabe für Ihre Idee. Sie spüren, ob Ihr Gegenüber die Sales-Mappe runterbetet oder ein Gründer detailverliebt und voller Überzeugung von seinem Geschäft berichtet. Dieses Gefühl lässt sich nur schwer rekrutieren und einkaufen. Und ist außerdem und aus meiner ganz persönlichen Sicht, Aufgabe der Gründer und Unternehmer.

Startup_DUS: Abschließend: Was wäre eine Welt ohne Networking für Sie?

Christoph Pietsch: Das ist eine merkwürdige Frage. Aber ich will es einmal versuchen. Meine ganz eigene kleine Welt wäre ohne die Impulse, Gedanken, Ideen, Dialoge, Inspiration, Kritik oder Unterstützung der Gesprächspartner und schlauen Köpfe aus meinem Umfeld um ein Vielfaches ärmer. In den vergangenen Jahren durfte ich viel lernen, habe zahlreiche kreative inhaltliche Unterstützung aus der Community erfahren und im Gegenzug immer versucht, mich mit meinen Fähigkeiten für und im Netzwerk zu engagieren und einzubringen. Ein Geben und Nehmen eben. Eigentlich einfach. Was ich nicht mag: Bei der Begrifflichkeit „Networking“ schwingt ein Kalkül, der Anschein einer rein kommerziellen Absicht, das berechnende, perfide Mittel zum Zweck, mit. Hier missverstehen wir uns. Ich persönlich liebe es, mich von unternehmerischen, kreativen Geschichten begeistern zu lassen, Menschen zusammenzuführen und neue Kontakte zu knüpfen, Projekte zu bauen und Ideen zu entwickeln. Das ist die zentrale Grundvoraussetzung, der Treiber. Und um nun auch die Frage zu beantworten: Das alles wäre mir verwehrt geblieben. Also schließen wir doch mit den Worten von Grunitzky: „Netzwerken – Was für ein schlimmes Wort. Wir stoßen ins Zentrum der Gravitation.“

Startup_DUS: Vielen Dank für das Gespräch!

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